Interview zur Situation aus ärztlicher Sicht mit Dr. med. Dominique Braun, Oberarzt an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene im UniversitätsSpital Zürich.
Haben Sie schon mal eine PrEP verschrieben?
Dr. med. Dominique Braun: Nein. Dies hat aber nicht damit zu tun, dass ich die gezielte Verschreibung von PrEP nicht als sinnvoll erachten würde, sondern dass der grösste Anteil der Patienten aus meiner Sprechstunde bereits HIV infiziert ist und deshalb eine PrEP nicht mehr in Frage kommt.
Wann ist für Sie persönlich – unabhängig von den Guidelines - eine PrEP angezeigt?
Dominique Braun: Bei Patienten, welche wiederkehrende PEP verschrieben erhalten haben und/oder mir nach einem Beratungsgespräch bezüglich Safersex-Massnahmen berichten, diese Verhaltensmassnahmen nicht einhalten zu können. Grundsätzlich denke ich, dass bei jeder Person PrEP ernsthaft evaluiert/diskutiert werden muss, welche eine PrEP wünscht. Ebenfalls sollte der Arzt PrEP mit seinen Patienten thematisieren wenn er zur Einschätzung kommt, dass PrEP bei diesem Patienten indiziert sein könnte.
Wann lehnen Sie persönlich eine PrEP eher ab?
Dominique Braun: Bei Personen von denen ich ausgehen muss, dass sie die geforderten Begleitmassnahmen zur PrEP nicht einhalten können (z.B. regelmässige HIV-Testungen, Überprüfung der Medikamentensicherheit, etc).
Was geben Sie dem Patienten mit auf den Weg, wenn Sie eine PrEP verschreiben?
Dominique Braun: Man kann sich trotz PrEP mit anderen ernsthaften Infektionen (z.B. Hepatitis C Virus) anstecken und es braucht Begleitmassnahmen, z.B. regelmässige HIV- und andere Testen auf sexuell übertragbare Krankheiten, Sicherheitslabor-Kontrollen.
Wie oft sehen Sie einen Patienten dem Sie eine PrEP verschrieben haben?
Dominique Braun: Alle drei bis sechs Monate.
Welche Probleme haben Sie mit der PrEP?
Dominique Braun: Der Preis für Truvada ist zu hoch gemessen an der Innovation bzw. den Herstellungskosten. In der Schweiz sollte PrEP von spezialisierten Ärzten verschrieben werden dürfen, aber der Preis muss massiv gesenkt werden.
Einmal auf PrEP: Bleiben die Leute dabei oder steigen sie wieder aus?
Dominique Braun: Ich denke es gibt durchaus eine Population, welche PrEP für eine beschränkte Zeit wünscht bzw. bei denen PrEP während einer beschränkten Zeit indiziert ist. Ich kann mir aber vorstellen, dass viele MSM für lange Zeit, über Jahre hinweg auf PreP bleiben, solange sie sexuell aktiv sind. Zumindest diejenigen, welche sich PrEP finanziell leisten können. Gewisse Leute könnten PrEP bei Gelegenheit einsetzen, zum Beispiel währen einem Partywochenende oder in der Ferien.
Wenn jemand was tun müsste in puncto PrEP, was wäre das?
Dominique Braun: Die Preise für Truvada müssten gesenkt werden und es braucht eine zeitnahe Studie mit dem neuen Wirkstoff Tenofovir Alafenamid Fumarat (TAF) anstelle des bisher gebräulichen Tenofovir disoproxil Fumarat (TDF). Dies mit dem Hintergrund, dass in klinischen Studien bei TAF keine negativen Effekte auf den Knochenstoffwechsel und die Nierenfunktion beobachtet werden konnte. Generell bräuchte es in der Schweiz eine klinische Studie zur PrEP, welche bevorzugt vom BAG und anderen Institutionen finanziert werden sollte. Dabei müsste die Zielgruppe in der CH für PrEP identifiziert werden sowie Akzeptanz und natürlich Wirksamkeit sowie andere Parameter untersucht werden. Eine solche nationale Studie müsste meiner Ansicht nach an den grossen HIV-Zentren in der CH durchgeführt werden, da diese die meiste Erfahrung im Bereich klinischer Studien haben und sehr gut vernetzt sind.
SRF hat in der Tagesschau und in Radioberichten und auf der Website über die Welt-Aids-Konferenz 2016 in Durban berichtet.
Lesenswert ist das auch Web-Porträt von David Haerry.
SRF.ch. http://www.srf.ch/news/schweiz/hiv-informiere-nur-dein-allernaechstes-umfeld#main-comments
Am 28. Juli ist der Welt-Hepatitis-Tag, an dem die WHO jedes Jahr auf das Schicksal der Hepatitis-Kranken in aller Welt aufmerksam macht, insbesondere jenen mit Hepatitis C. In der Schweiz sind schätzungsweise 80‘000 Menschen oder 1% der Bevölkerung mit dem Hepatitis C Virus infiziert. Viele von ihnen sind sich der Krankheit gar nicht bewusst. Anderen verweigern die Krankenkassen eine Therapie, weil sie angeblich noch zu wenig krank seien. Dabei sterben in Industrieländern heute mehr Menschen an Hepatitis C als an HIV (in der Schweiz drei Mal mehr). Hepatitis C Betroffene haben deshalb die Schweizerische Hepatitis C Vereinigung gegründet, um so eine Ansprechstelle für HCV Betroffene zu bilden und diese zu unterstützen. Ferner fordern sie von den Behörden, die Krankheit endlich ernster zu nehmen und die Rationierung aufzuheben. Vom Gesundheitswesen verlangen sie, allen Erkrankten den Zugang zu den heilenden Medikamenten zu ermöglichen. Schliesslich rufen sie die Pharmafirmen dazu auf, die Preise ihrer HCV-Medikamente weiter zu senken.
Hepatitis C ist eine Viruserkrankung, die vor allem durch Blutkontakt übertragen wird. Betroffen sind in der Schweiz einerseits Personen, die eine Bluttransfusion bekommen haben, bevor diese auf Hepatitis C getestet wurden. Zu den Risikogruppen gehören ferner Drogenkonsumenten, Leute mit Tätowierungen und Männer, die Sex mit Männern haben. Während es gegen Hepatitis A und B Impfungen gibt, fehlt eine solche gegen Hepatitis C bis heute. Jedes Jahr werden in der Schweiz rund 50 Neuansteckungen mit Hepatitis C registriert und eine ganze Reihe alter Erkrankungen erkannt. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist aber davon auszugehen, dass bis zu einem Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infiziert ist, viele davon mit Jahrgang 1955 bis 1985. Da viele von der Krankheit nichts merken, wird sie erst bemerkt, wenn die Betroffenen eine irreversible Leberschädigung haben (Leberzirrhose) oder an Leberkrebs erkranken.
Seit 2014 gibt es neue und hochwirksame Medikamente gegen Hepatitis C. Sie heilen praktisch alle Patienten innerhalb von drei Monaten. Je nach Genotyp und Krankheitsbild kostet eine Therapie zwischen rund 40‘000 bis 100’000 Franken. In der Geschichte der Schweiz wurde erstmals vom BAG eine vom Fortschrittsgrad der Erkrankung abhängige Rationierung beschlossen, die sogenannte „Limitatio“. Gemäss dieser Rationierung werden Patienten erst ab einem mittelschweren Leberschaden (F2) behandelt. Laut BAG sind angeblich Patienten, die unter extrahepatischen Symptomen leiden, von der Rationierung ausgeschlossen, müssten also behandelt werden, auch wenn ihre Leber noch nicht im Stadium F2 ist. Die meisten Krankenkassen weigern sich aber in den meisten dieser Fälle, die Therapien zu bezahlen. Das bedeutet für die Betroffenen weiteres jahrelanges Leiden und eine häufig massive Einschränkung ihrer Lebensqualität. Zudem werden alle HCV Patienten einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt.
Immer mehr verzweifelte Menschen versuchen, Lizenzprodukte aus dem Ausland (Indien) auf eigene Kosten zu beschaffen, gehen dabei allerdings beträchtliche Risiken ein. In Indien kosten die Medikamente fünf bis zehn Prozent von dem, was in der Schweiz bezahlt werden müsste (1500 bis 2500 Franken für eine drei Monate dauernde Therapie). Allerdings ist aus der Sicht der Pharmahersteller der Import in die Schweiz illegal. Die Schweizer Gesetzgebung verbietet Parallelimporte und die Lizenzbestimmungen der US-Hersteller verbieten indischen Produzenten den Export in industrialisierte Länder. Legal ist nur der Import einer Monats-Ration durch den Hepatitis C Kranken persönlich.
Angesichts dieser skandalösen Situation haben Hepatitis C Betroffene diesen Sommer die „Schweizerische Hepatitis C Vereinigung“ gegründet. Ziel der Organisation ist es, Hepatitis C Betroffene zu beraten, zu unterstützen und zu begleiten. Sie versteht sich als Ansprechpartnerin für Hepatitis C Patienten, Behörden, Krankenkassen, Industrie und generell für alle Akteure im Bereich Hepatitis C. Geplant ist ferner, jenen denen eine Therapie verweigert wird, juristischen Beistand zu geben. In den Kantonen Zürich und Basel-Stadt liegen die ersten beiden bekannten Fälle zur Beurteilung bei den zuständigen kantonalen Sozialversicherungsgerichten.
Daniel Horowitz / Juli 2016
Zürich, 28. Juli 2016. Hepatitis C könnte in der Schweiz eliminiert werden. Doch dazu müsste entschlossen gehandelt werden. Leider verschläft die offizielle Schweiz diese historische Chance.
Es ist alarmierend: 80’000 Menschen leben in der Schweiz mit einer Hepatitis C. Unbehandelt kann sich eine Vernarbung der Leber oder Leberkrebs entwickeln. Viele Betroffene leiden unter ständiger Müdigkeit und anderen chronischen Krankheiten. Heute sterben mehr Menschen in der Schweiz an Hepatitis C als an HIV.
Die heilenden Therapien erhalten nur wenige: Denn über die Hälfte der Betroffenen weiss nichts von der Infektion. Zudem hat das Bundesamt für Gesundheit BAG die Medikamente aus Kostengründen rationiert. Die Rationierung wurde letztes Jahr zwar etwas gelockert. Trotzdem erhalten Betroffene erst ab einem mittleren Leberschaden die Therapien vergütet. Die Rationierung führt zudem in vielen Fällen zu kräfteaufreibenden Kämpfen mit den Krankenkassen.
Experten sind überzeugt: Die Elimination von Hepatitis C ist möglich. Die private Initiative Schweizerische Hepatitis-Strategie hat sich schon vor einem Jahr das Ziel gesetzt, virale Hepatitis bis ins Jahr 2030 zu eliminieren. Der Positivrat Schweiz ist Teil dieses Netzwerks. Die offizielle Schweiz hat im Mai 2016 die erste globale Eliminationsstrategie der Weltgesundheitsorganisation WHO verabschiedet. Trotzdem tut sich viel zu wenig.
Der Positivrat Schweiz fordert, dass die offizielle Schweiz eine Eliminationsstrategie für Hepatitis C verfolgt. Dazu braucht es Neuverhandlungen des Bundesamtes für Gesundheit BAG mit der medikamentenherstellenden Industrie über die Preise, um den Zugang zu den heilenden Medikamenten für alle zu ermöglichen. Weiter sollte die Schweiz aktiv über virale Hepatitis aufklären und die private Initiative Schweizer Hepatitis-Strategie unterstützen.
Die Schweiz hätte alle Instrumente in der Hand, um Hepatitis C bis 2030 zu eliminieren. Damit würde Betroffenen viel Leid erspart und es könnten zukünftige Gesundheitskosten vermieden werden.
Welt-Hepatitis-Tag
Der Welt-Hepatitis-Tag, der jährlich am 28. Juli begangen wird, ist einer von nur vier Weltgesundheitstagen und wurde von der WHO 2010 ins Leben gerufen. Im Mai 2016 haben die WHO-Mitgliedsländer, darunter auch die Schweiz, die erste globale Eliminationsstrategie verabschiedet. Die WHO stellt den Welt-Hepatitis-Tag 2016 unter das Motto „Elimination“. Am 28. Juli wird zudem die globale Bewegung NOhep ins Leben gerufen, um das Ziel der Elimination von viraler Hepatitis voranzutreiben.
www.worldhepatitisday.org
Kontakt:
VORSITZ Positivrat Schweiz, Herr Walter Bärtschi, Tel. +41 79 461 46 66
VIZE-VORSITZ Positivrat Schweiz, Herr David Haerry, Tel. +41 79 712 57 59
Zum Welt-Hepatitis-Tag 2016 lanciert das Netzwerk Schweizerische Hepatitis-Strategie die Kampagne «Greatest Hits – Greatest Risks 1950 – 1985». Schätzungsweise 100'000 Menschen leben in der Schweiz mit einer chronischen Hepatitis B oder C. Doch etwa die Hälfte weiss nicht, dass sie infiziert ist. Das kann verheerende Folgen haben.
Damit mehr Menschen über ihre Infektion Bescheid wissen und sich behandeln lassen können, hat das Netzwerk einen Risikotest entwickelt. Dieser kann ab sofort auf www.hepatitis-schweiz.ch abgerufen werden.
Besonderes Augenmerk wird dabei auf Personen gelegt, die zwischen 1950 und 1985 geboren sind. Eine Auswertung der Statistik der betroffenen Personen zeigt, dass die Mehrheit von ihnen einen Geburtenjahrgang zwischen 1950 und 1985 aufweist. Weil Hepatitis C vor den frühen 1990er Jahren nicht nachgewiesen werden konnte, besteht das Risiko, sich in den 80er Jahren mit Blutprodukten im Spital angesteckt zu haben. Weitere Risiken sind das Spritzen oder Sniffen von Drogen, Tattoos oder Piercing, die unter ungenügend hygienischen Bedingungen angebracht wurden, oder ungeschützter Sexualverkehr bei Hepatitis B.
Zufällig entdeckt
Ein Beispiel ist Chandra Duncan: „Ich habe Glück gehabt“, sagt die alleinerziehende Mutter. Sie hat sich in den 80er Jahren im Spital nach einer Operation mit dem Hepatitis-C-Virus angesteckt. Durch reinen Zufall hat sie vor sieben Jahren die Diagnose Hepatitis C erhalten und konnte behandelt werden. Heute ist sie geheilt und setzt sich dafür ein, dass mehr Menschen sich testen und diagnostizieren lassen. „Ich bin dankbar, dass ich heute gesund bin und für meine Kinder da sein kann“, erklärt sie ihr Engagement.
«Kennst du auch die Kehrseite?»
Damit die Diagnose keine Glückssache bleibt, will die neue Kampagne auf mögliche Risiken aufmerksam machen. Beworben wird der Risiko-Test mit einem typischen Sujet aus den 80er Jahren: Eine offensichtlich selber aufgenommene Musikkassette mit der Aufschrift: „Greatest Hits 1950 – 1985“ und auf der Kehrseite „Greatest Risks 1950 – 1985“. Die Kampagne ist im Internet auf Social-Media-Kanälen und als Flyer und Poster in Arztpraxen und Behandlungszentren präsent.
Zum Risikotest
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Video mit Patiententestimonial
Zum Welt-Hepatitis-Tag
Im Jahr 2010 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO den 28. Juli zum Welt-Hepatitis-Tag ausgerufen und zu einem von nur vier Weltgesundheitstagen gemacht. Im Mai 2016 hatten die WHO-Mitgliedsländer, darunter auch die Schweiz, die erste globale Eliminationsstrategie verabschiedet. Die WHO stellt den Welt-Hepatitis-Tag 2016 deshalb unter das Motto „Elimination“. Am 28. Juli wird die globale Bewegung NOhep ins Leben gerufen, um das Ziel der Elimination von viraler Hepatitis voranzutreiben.
Bettina Maeschli / Juli 2016
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