Standpunkt

  • Der Positivrat wehrt sich gegen die Limitation von zwei Arzneimitteln für die Behandlung von Hepatitis C.

    Gerade die Institutionen, welche eine langjährige Erfahrung in der Behandlung von Menschen einer HIV-HCV-Koinfektion haben, dürfen gemäss BAG diese Behandlungen nicht durchführen.

    Schreiben_HCV-BAG-13-02-12.pdf

  • Die neuen HCV-Therapien funktionieren – fast immer. Wenn es nicht klappt, werden die Patienten allein gelassen.

    Man hat es kommen sehen: trotz eindrücklicher Wirksamkeit funktioniert eine HCV-Therapie unter Umständen nicht. Von einem Therapieversagen betroffen sind nur wenige Patienten – das ist die gute Nachricht. Die wenigen, die es trifft, kämpfen aber buchstäblich um ihr Leben. Von den Krankenkassen werden sie im Stich gelassen.

    Wir rechnen mit im Moment etwa 50 Patienten in der Schweiz, die mit den neuen, hochwirksamen Therapien behandelt wurden und aus unterschiedlichen Gründen nicht geheilt werden konnten. Und wir wissen bis jetzt von vier Fällen – einem in der Ostschweiz, einem am Genfersee sowie zwei ko-infizierten Personen aus der HIV-Kohortenstudie, bei denen die Krankenkasse die Kostenübernahme für eine zweite Behandlung verweigert.

    Die durch das BAG verfügten Limitationen sehen diese Fälle gar nicht vor. Einzelne Krankenkassen glauben deshalb, den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können und verweigern die Kostenübernahme für die Zweittherapie.

    Wir müssen uns bewusst sein, dass die betroffenen Patienten bereits an einer fortgeschrittenen HCV-Infektion litten, da sie sonst gar keine Therapie bekommen hätten. Selbstverständlich wäre es, dass man alles unternimmt, um auch diesen Patienten das Leben zu retten – genauso wie wir bei HIV-Infizierten gelernt haben, wie man mit Therapieresistenzen umgeht. Offenbar wird das im Zusammenhang mit der Hepatitis C noch nicht verstanden.

    Der Positivrat akzeptiert das nicht. Die betroffenen Patienten brauchen dringend Hilfe, und sie brauchen eine funktionierende Therapie. Wir bleiben am Ball.

    David Haerry / Februar 2016

  • Die Prä-Expositionsprophylaxe PrEP – warum wir sie wollen

    Position Positivrat Schweiz
    Die WHO empfiehlt sie, die European AIDS Clinical Society will sie, die Amerikaner machen es schon lange – Wir wollen die PrEP für die Schweiz.

    Wenn sich fast alle einig sind, müsste man eigentlich kein Lobbying machen. Aber beim Thema PrEP ist schon immer alles anders gewesen. Noch selten hat ein Thema über so viele Jahren immer wieder dieselben Kontroversen produziert. In der Schweiz ist die Debatte in vollem Gang, und beim eigentlichen Zielpublikum, den Männern, die Sex mit vielen Männern haben und die es mit dem Gummi drum nicht immer schaffen, ist sie noch gar nicht angekommen.

    Wer soll eine PrEP kriegen?

    • Alle HIV-negativen Männer und Transgender, die Sex mit Männern haben und die mit Gelegenheitspartnern Kondome nicht konsequent einsetzen.
    • Alle HIV-negativen Männer und Transgender, die Sex mit Männern haben und die nicht therapierte HIV-positive Partner haben. 
    • HIV-negative Männer, die kürzlich eine sexuell übertragbare Krankheit hatten oder eine PEP brauchten, sollen auf PrEP angesprochen werden. 
    • Bei HIV-negativen heterosexuellen Frauen und Männern, die Schwierigkeiten haben, Kondome immer einzusetzen und die nicht therapierte HIV-positive Partner haben, soll man eine PrEP erwägen.

    Wer soll eine PrEP verschreiben?

    • Ausschliesslich Ärzte, die Erfahrung mit dem Verschreiben von HIV-Medikamenten haben. Die PrEP Benutzer sollen klinisch überwacht werden. Zudem brauchen sie ein Begleitprogramm.

    Wer soll bezahlen?

    • Im Moment sind es in der Schweiz die Patienten selber. Die Diskussion muss aber offen und sorgfältig geführt werden – eine PrEP muss für alle, die sie brauchen, zugänglich und erschwinglich sein.

    Was ist noch zu beachten?

    • Die PrEP funktioniert nur, wenn sie genommen wird. Die Patienten brauchen Adhärenzunterstützung.
    • Die Patienten sollen über die Wirkungsweise von PrEP beraten und aufgeklärt werden. Sie müssen wissen, dass die PrEP nur vor einer HIV-Infektion, nicht aber vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützt. Sie sollen wissen, dass Medikamente Nebenwirkungen haben können.
    • Die PrEP ist keine Dauermassnahme fürs ganze Leben.
    • Viele MSM nehmen Drogen beim Sex. Drogen, inklusive Alkohol, spielen beim ungeschützten Sex eine treibende Rolle. Die Checkpoints und die Kliniken müssen hier ihr Angebot ausbauen und Abstinenzprogramme entwickeln und anbieten.
    • Aus ethischer Perspektive darf eine als wirksam anerkannte Massnahme den Patienten nicht vorenthalten werden.
    • Frankreich führt die PrEP ab 2016 ein, das Sozialversicherungssystem übernimmt die Kosten. Die französischen Überlegungen und Erfahrungen sind zu berücksichtigen.

    Zürich, 25. November 2015

  • Die Prä-Expositionsprophylaxe PrEP wird salonfähig – für die europäischen Kliniker und in Frankreich resolut, in der Schweiz zögerlich. Und man debattiert mit uns über die Wirksamkeit.

    Es war eine kleine Sensation: Die europäischen Behandlungsrichtlinien empfehlen die PrEP auch ohne Zulassung der europäischen Medikamentenbehörden. Frankreich führt die PrEP offiziell ein und übernimmt die Kosten über das Gesundheitssystem. Die Eidgenössische Kommission für Sexuelle Gesundheit EKSG äussert sich positiv zur PrEP. Und ein Leser hinterfragt unsere Meinung.

    EACS Barcelona
    Es gab nicht einmal viel Aufsehen an der Konferenz, als die Therapierichtlinien Version 8 vorgestellt wurden – die Kliniker empfehlen den Einsatz der PrEP, und dies bevor die europäischen Medikamentenbehörden eine entsprechende Zulassung erteilt haben. In einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Patientengruppe EATG erklärt die EACS ihre Haltung wie folgt: „Die Wissenschaft hat eine Antwort geliefert, und die Richtlinien reflektieren die Studienresultate aus PROUD und IPERGAY.“ Der EACS-Präsident Professor Manuel Battegay betont denn auch wie wichtig es sei, dass die Behörden mit der Zulassung vorwärts machen. „Auch bei den aktuellen Preisen für Truvada sparen wir Geld wenn wir eine PrEP an schwule Männer aus Hochrisikogruppen verschreiben“, bestätigte die PROUD-Studienleiterin Prof. Sheena McCormack aus London.

    Warum sind die europäischen Behörden so spät dran, wo doch die amerikanische FDA schon 2012 eine Zulassung erteilt hat? Die Antwort: Die Amerikaner haben aufgrund von Studienresultaten eine Zwangszulassung verfügt. Die europäischen Behörden haben dieses Instrument nicht – sie müssen warten, bis eine Firma eine Zulassung beantragt (dasselbe gilt für Swissmedic in der Schweiz). Vor wenigen Tagen kam endlich grünes Licht aus London: Das Dossier wird jetzt bearbeitet, innert 60 Tagen sollte die Antwort der Behörde vorliegen.

    Frankreich macht vorwärts
    Am vergangenen 23. November hat die französische Gesundheitsministerin die Einführung von PrEP ab 1. Januar 2016 angekündigt, dies bei voller Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem. Der Ankündigung vorausgegangen waren monatelange Konsultationen hinter den Kulissen. Nach dem vorzeitigen Abbruch der IPERGAY-Studie war der Druck zu gross geworden – das System musste reagieren und die Intervention zugänglich machen. Ärzte und Aidsorganisationen zeigten sich erleichtert. IPERGAY ist die erste Studie, welche die Wirksamkeit von PrEP bei Bedarf, vor und nach dem Sex nachweist.

    Und die Schweiz?
    Ganz untätig war man hier nicht, doch die Mühlen mahlen etwas langsamer. Zum ersten sind die Neuansteckungen auch bei schwulen Männern einigermassen unter Kontrolle, zum zweiten wurde in der Schweiz keine PrEP-Studie durchgeführt. Die Arbeitsgruppe Klinik und Therapie der eidgenössischen Kommission für sexuelle Gesundheit EKSG (die frühere EKAF) hat sich trotzdem mit der Frage befasst. Einige Ärzte verschreiben die PrEP auch in der Schweiz, weil ihre Patienten danach fragen, und aufgrund der Entwicklung in Europa man die Augen nicht weiter verschliessen konnte. Am 25. Januar 2016 hat das BAG-Bulletin die Meinung der Kommission publiziert. Als Zielgruppe werden HIV-negative Personen mit hohem Ansteckungsrisiko genannt, welche häufig Partner wechseln und Schwierigkeiten mit der konsistenten Verwendung von Kondomen haben. Kürzlich erworbene Infektionen mit Syphilis oder dem venerischen Granulom, eine wiederholte Post-Expositionsprophylaxe oder der Gebrauch sogenannter Chemsex-Drogen können Hinweise auf eine Gefährdung liefern.

    Das Verschreiben der PrEP erfolgt in der Schweiz „off label“, da keine Zulassung der Swissmedic vorliegt (die Herstellerfirma hat noch keinen Antrag eingereicht, beabsichtigt dies aber zu tun). Die Kosten werden von der Krankenkasse nicht übernommen. Auf längere Sicht ist das unbefriedigend – zum ersten wird eine Post-Expositionsprophylaxe auch übernommen und zum zweiten sollte der Zugang zu einer wirksamen Intervention für alle möglich sein und kein Privileg darstellen. Die Diskussion um Kostenübernahme muss darum auch in der Schweiz geführt werden. Siehe dazu auch die Position der Positivrates Schweiz.

    Eine Zuschrift und unsere Replik
    Im vergangenen Juli haben wir uns etwas aus dem Fenster gelehnt. Im Artikel „PrEP ist ok – nur für Amerikaner?“ resümierten wir „Auch wenn PrEP teurer ist als ein Kondom: Die Intervention ist auch wirksamer als der Gummi und ein weiterer, wichtiger Pfeil im Köcher der Prävention.”(1) Ein aufmerksamer Leser hat nachgefragt, wie wir das begründen. Dazu muss man etwas ausholen.

    Theoretisch müsste man in einer Meta-Analyse die Wirksamkeit von 100% Kondomgebrauch mit der Wirksamkeit von 100% Adhärenz unter PrEP vergleichen. Es gibt solche Meta-Analysen über den Kondomgebrauch. Sie gehen von einer Wirksamkeit von 80-85% aus. Aidsmap schreibt dazu: Wenn Kondome zu 100% eingesetzt werden, wenn auch nicht immer 100% perfekt (sie können zum Beispiel platzen), beträgt der Schutz gegen HIV 80-85%. Mit anderen Worten: Wenn sich 100 Personen ohne Einsatz von Kondomen infizieren, würden sich 15 Personen infizieren, wenn Kondome immer eingesetzt werden. Wichtig dazu: diese Zahlen gelten für heterosexuellen, vaginalen Geschlechtsverkehr (2).

    Dawn Smith hat für das amerikanische Center for Disease Control die Wirksamkeit von 100% Kondomgebrauch untersucht. Er zieht dabei einen Durchschnitt aus zwei unterschiedlichen Studien und kommt auf 70% Wirksamkeit (3). Dieser Wert wird durch eine frühere Studie über die Wirksamkeit von Kondomen bei Analverkehr bestätigt.

    Bei PrEP haben wir einen einzigartigen Vorteil: Wir können messen und nachweisen, ob die PrEP genommen wurde oder nicht. Beim Kondomgebrauch müssen wir uns darauf verlassen, was die Studienteilnehmer erzählen – natürlich brauchen sie die Kondome „immer“, aber man kann es nicht überprüfen. Auch in PrEP Studien haben die Teilnehmer berichtet, wie genau sie es mit der PrEP nehmen – nur hat man sie dort erwischt. In iPrex betrug der Unterschied zwischen rapportierter und gemessener Adhärenz 90% zu 75%; in anderen PrEP Studien betrug die gemessene Adhärenz sogar nur 51%.

    Zurück zu den Studien über die Wirksamkeit von Kondomen: Wir wissen mit Sicherheit, dass die Leute ihr Verhalten beschönigen. Und: entweder berichten die Leute korrekt, wie sicher sie Kondome einsetzen, aber die Kondome sind nicht so wirksam - darum hätten wir eine Wirksamkeit von 70% . ODER die Kondome werden zu 100% eingesetzt und funktionieren auch bei 99%, aber die Leute beschönigen und brauchen sie nicht 100% obwohl sie das Gegenteil behaupten, und wir haben darum eine Wirksamkeit von 70%.

    Vor PROUD und IPERGAY konnte man über die Statistik argumentieren und sagen, dass unter Berücksichtigung der Adhärenz Kondome und PrEP gleich effizient wären. Seither ist aber die Katze aus dem Sack. Wir sahen 86% Wirksamkeit auch in Situationen wo die Medikamentenspiegel eine Adhärenz von 76% anzeigten (PROUD) oder der Sex durch zwei Dosen bloss in 50% der Fälle wirklich abgedeckt war (IPERGAY). Das zeigt: PrEP vergibt eine gewisse Nachlässigkeit und ist flexibel im Einsatz, man kann fast 100% Wirksamkeit auch dann erreichen, wenn man nicht ganz alle Dosen nimmt.

    Zudem haben wir seither auch die beeindruckende Kaiser Studie mit nicht einer Ansteckung unter mehr als 700 Hochrisikoschwulen. Das hätte man nicht gesehen, wenn man denselben Leuten Kondome empfohlen hätte.

    Wir bleiben also dabei: Die PrEP kostet zwar, ist aber wirksamer als der Gummi und ein weiterer, wichtiger Pfeil im Köcher der Prävention.

    Was mache ich, wenn ich eine PrEP will?
    Bitte nicht:

    • Truvada beim Kollegen besorgen, der eine Therapie nimmt. Das kommt für beide nicht gut.
    • Truvada übers Internet bestellen. Wir raten dringend davon ab, über Internet Apotheken verschreibungspflichtige Medikamente zu beziehen. Im besten Fall ist kein Wirkstoff drin, oder die Sendung wird vom Zoll beschlagnahmt. Im schlimmeren Fall ist der Wirkstoff zu schwach oder ein anderer als angegeben.

    Bitte so:

    • Einen Arzt kontaktieren, der Erfahrung mit der HIV-Therapie hat (nur diese Ärzte kennen Truvada gut und können PrEP-Kunden sinnvoll beraten und überwachen).
    • Mit einem Rezept in der Apotheke beziehen und gemäss Anweisungen des Arztes einnehmen.
    • Wer Stimulans und Chems beim Sex verwendet: Bitte das Thema offen mit dem Arzt ansprechen. Es geht auch darum, Wechselwirkungen zu verhindern.
    • Wer sparen will, kann in Basel oder Genf über die Grenze nach Frankreich in eine Apotheke gehen. Das ist etwas billiger und sicher.


    David Haerry / Februar 2016  

     

    (1) http://neu.positivrat.ch/medizin/therapie/128-prep-ist-ok-nur-fuer-amerikaner.html
    (2) http://www.aidsmap.com/Do-condoms-work/page/1746203/#item1746205
    (3) http://www.aidsmap.com/CDC-researchers-publish-estimate-of-effectiveness-of-condom-use-in-anal-sex/page/2930716/

  • Die PrEP in der Schweiz

    Interview zur Situation aus ärztlicher Sicht mit Dr. med. Dominique Braun, Oberarzt an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene im UniversitätsSpital Zürich.

    Haben Sie schon mal eine PrEP verschrieben?

    Dr. med. Dominique Braun: Nein. Dies hat aber nicht damit zu tun, dass ich die gezielte Verschreibung von PrEP nicht als sinnvoll erachten würde, sondern dass der grösste Anteil der Patienten aus meiner Sprechstunde bereits HIV infiziert ist und deshalb eine PrEP nicht mehr in Frage kommt.

    Wann ist für Sie persönlich – unabhängig von den Guidelines - eine PrEP angezeigt?

    Dominique Braun: Bei Patienten, welche wiederkehrende PEP verschrieben erhalten haben und/oder mir nach einem Beratungsgespräch bezüglich Safersex-Massnahmen berichten, diese Verhaltensmassnahmen nicht einhalten zu können. Grundsätzlich denke ich, dass bei jeder Person PrEP ernsthaft evaluiert/diskutiert werden muss, welche eine PrEP wünscht. Ebenfalls sollte der Arzt PrEP mit seinen Patienten thematisieren wenn er zur Einschätzung kommt, dass PrEP bei diesem Patienten indiziert sein könnte.

    Wann lehnen Sie persönlich eine PrEP eher ab?

    Dominique Braun: Bei Personen von denen ich ausgehen muss, dass sie die geforderten Begleitmassnahmen zur PrEP nicht einhalten können (z.B. regelmässige HIV-Testungen, Überprüfung der Medikamentensicherheit, etc).
    Was geben Sie dem Patienten mit auf den Weg, wenn Sie eine PrEP verschreiben?

    Dominique Braun: Man kann sich trotz PrEP mit anderen ernsthaften Infektionen (z.B. Hepatitis C Virus) anstecken und es braucht Begleitmassnahmen, z.B. regelmässige HIV- und andere Testen auf sexuell übertragbare Krankheiten, Sicherheitslabor-Kontrollen.

    Wie oft sehen Sie einen Patienten dem Sie eine PrEP verschrieben haben?

    Dominique Braun: Alle drei bis sechs Monate.

    Welche Probleme haben Sie mit der PrEP?

    Dominique Braun: Der Preis für Truvada ist zu hoch gemessen an der Innovation bzw. den Herstellungskosten. In der Schweiz sollte PrEP von spezialisierten Ärzten verschrieben werden dürfen, aber der Preis muss massiv gesenkt werden.

    Einmal auf PrEP: Bleiben die Leute dabei oder steigen sie wieder aus?

    Dominique Braun: Ich denke es gibt durchaus eine Population, welche PrEP für eine beschränkte Zeit wünscht bzw. bei denen PrEP während einer beschränkten Zeit indiziert ist. Ich kann mir aber vorstellen, dass viele MSM für lange Zeit, über Jahre hinweg auf PreP bleiben, solange sie sexuell aktiv sind. Zumindest diejenigen, welche sich PrEP finanziell leisten können. Gewisse Leute könnten PrEP bei Gelegenheit einsetzen, zum Beispiel währen einem Partywochenende oder in der Ferien.

    Wenn jemand was tun müsste in puncto PrEP, was wäre das?

    Dominique Braun: Die Preise für Truvada müssten gesenkt werden und es braucht eine zeitnahe Studie mit dem neuen Wirkstoff Tenofovir Alafenamid Fumarat (TAF) anstelle des bisher gebräulichen Tenofovir disoproxil Fumarat (TDF). Dies mit dem Hintergrund, dass in klinischen Studien bei TAF keine negativen Effekte auf den Knochenstoffwechsel und die Nierenfunktion beobachtet werden konnte. Generell bräuchte es in der Schweiz eine klinische Studie zur PrEP, welche bevorzugt vom BAG und anderen Institutionen finanziert werden sollte. Dabei müsste die Zielgruppe in der CH für PrEP identifiziert werden sowie Akzeptanz und natürlich Wirksamkeit sowie andere Parameter untersucht werden. Eine solche nationale Studie müsste meiner Ansicht nach an den grossen HIV-Zentren in der CH durchgeführt werden, da diese die meiste Erfahrung im Bereich klinischer Studien haben und sehr gut vernetzt sind.

  • Die WHO empfiehlt die Therapie für alle und PrEP für Menschen mit erhöhtem HIV-Infektionsrisiko

    Bei Abbruch der START-Studie im Mai 2015 wurde es angekündigt - jetzt ist es soweit: Die WHO will die sofortige HIV-Therapie für alle Menschen mit HIV und empfiehlt gleichzeitig den Einsatz der Prä-Expositionsprophylaxe für Menschen, die sich anders nicht genügend vor HIV schützen können. Die WHO schätzt, dass dank der neuen Empfehlungen in den nächsten 15 Jahren 21 Millionen Todesfälle und 28 Millionen Neuansteckungen vermieden werden können.  

    Am  30. September veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO die bereits angekündigten neuen Therapierichtlinien. Der vorzeitige Abbruch der START-Studie im Mai hatte die bisherigen Empfehlungen, die Therapie spätestens bei 350 CD4-Zellen einzuleiten, ethisch unhaltbar gemacht. Gottfried Hirnschall, Direktor der HIV/AIDS Abteilung bei der WHO meinte denn auch: „Diese neuen Empfehlungen haben enorme Auswirkungen auf das menschliche Leben. Eine globale Zusammenarbeit ist nötig, um alle Länder bei der Einführung und Umsetzung der neuen Empfehlungen zu unterstützen.“

    Eigentlich war die Publikation der neuen Richtlinien erst später gegen Jahresende erwartet worden. Die hohen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben die WHO aber veranlasst, die Veröffentlichung zu beschleunigen. Die neuen Richtlinien sagen ganz einfach: „Die antiretrovirale Therapie soll bei Erwachsenen Menschen mit HIV sofort eingeleitet werden.“ Dieselbe Empfehlung gilt auch für Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen. Die Therapie soll für Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder Menschen, die bereits Krankheitszeichen aufweisen, prioritär eingeleitet werden.

    Die European AIDS Clinical Society publiziert die neuen europäischen Therapierichtlinien an ihrem Kongress, der diese Woche in Barcelona beginnt. Soviel dürfen wir verraten: Auch die EACS wird sich unmissverständlich für die sofortige Therapie aller Menschen mit HIV aussprechen.

    An der IAS Konferenz im Juli 2015 bestätigten sich bereits vorzeitig veröffentlichte Daten aus der afrikanischen HPTN 052-Studie mit heterosexuellen sero-diskordanten Paaren[1]. Das Risiko, in einer Paarbeziehung angesteckt zu werden, reduziert sich dank Therapie auf fast Null, nämlich um 93%. Die einzige dokumentierte Ansteckung erfolgte kurz nach Therapiebeginn, als die Viruslast des Partners mit HIV noch nicht unterdrückt war..

     

    PrEP für alle Menschen mit hohem Ansteckungsrisiko

    Die neuen WHO-Richtlinien empfehlen auch die Prä-Expositionsprophylaxe: „Orale PrEP (enthaltend tenofovir disoproxil fumarate) sollte als zusätzliche Präventionsmethode für Menschen mit hohem HIV-Ansteckungsrisiko als Bestandteil einer kombinierten Präventionsstrategie empfohlen werden.“

    Die WHO äussert sich nicht weiter zu einer spezifischen Therapie. Truvada des Herstellers Gilead (enthält Tenofovir und Emtricitabine) ist das am Besten geprüfte Produkt und das einzige von der amerikanischen Behörde FDA für die PrEP zugelassene Präparat. Generische Versionen von Tenofovir und Emtricitabine sowie der noch älteren Substanz Lamivudine sind in vielen Ländern auf dem Markt. In Europa dürfte der Patentschutz von Truvada 2018 auslaufen.

    Die europäischen Zulassungsbehörden EMA sowie die Swissmedic haben sich bisher zu diesem Thema nicht geäussert. Diese können aber eine Zulassung auch nicht einfach einseitig verfügen wie das FDA in den Vereinigten Staaten. In Europa und der Schweiz muss die Herstellerfirma einen Antrag auf Zulassung stellen. Die kürzlich vorzeitig abgebrochenen Studien PROUD und IPERGAY (LINK) machen jetzt aber Druck, dies rasch nachzuholen.

    Die WHO hat bereits 2014 empfohlen, dass Männern, die Sex mit Männern haben und die Mühe mit Safer Sex bekunden, eine PrEP empfohlen werden sollte. Die neuen WHO-Empfehlungen dehnen dies nun auf alle Gruppen mit erhöhtem Risiko aus.

    Wir hoffen sehr, dass sich auch die Schweiz bald durchringt, die PrEP als eine mögliche und wirksame Präventionsmassnahme zu empfehlen. Wir gehen davon aus, dass sich auch die EACS diese Woche zum Thema äussern wird – PrEP ist auf jeden Fall eines der ganz heissen Themen in Barcelona.

    David Haerry / Oktober 2015


    [1] Sero-diskordant: Ein Partner ist HIV-positiv, der andere HIV-negativ

  • Die Worte des Vorsitzenden zum Welt-Aids-Tag 2016

    Das bald zu Ende gehende Jahr hat uns vieles gebracht, was wir vorher kaum für möglich gehalten haben. Zu Beginn des Jahres standen wir noch unter dem Eindruck des ‚Rechtsrutsches‘ in unserem Parlament, etwas das uns damals Sorgen bereitet hat, stehen doch die konservativen Kräfte in der Politik immer im Verdacht, dass sie die Ausgaben für soziale Wohlfahrt und das Gesundheitswesen zu senken trachten, etc. Aber dass ‚die AmerikanerInnen‘ vor kurzem jemanden zum Präsidenten gewählt haben, der es weder mit der Wahrheit der Spur nach genau nimmt, noch die Frauen als etwas anderes als sich unterzuordnende Lustobjekte betrachtet, stellt unserer ‚Zuvielisation‘ keine besonders gute Note aus. News (insbesondere auf den sozialen Medien) müssen inzwischen auf den Wahrheitsgehalt überprüft werden, es gibt immer mehr ‚Journalisten‘, deren Finger nur dazu dienen, dass irgendwelche hanebüchenen News heraus gesaugt werden - brave new world.

    Was hat das mit uns zu tun? Wir müssen uns in dieser Welt bewegen. Wir haben andere, seriöse Absichten. Es ist nicht immer nur ‚geil‘, die ehrenamtliche Arbeit zu erledigen, die wir leisten. Manchmal ist es mühselig. Aber es ist reale Arbeit. Yin und Yang, Ups and Downs. Sie hat kaum Glamour, aber sie bringt Befriedigung. Niemand von uns macht vorsätzlich ‚schlechte‘ Arbeit, jeder gibt sein Bestes für die Community.

     

    Schwerpunkt Hepatitis C

    In den letzten zwei Jahren wurde für uns bekanntlich die Arbeit im Zusammenhang mit Hepatitis C immer wichtiger. Der Zugang aller mit dem HCV infizierter Menschen zu den universellen und gut verträglichen Therapien steht auf unserer ersten Standarte. Dass es nicht möglich sein soll, Medikamente, die in der Produktion einige Rappen kosten, den Leidenden auch real zu verschreiben, ist eines zivilen ‚Gesundheitswesens‘ absolut unwürdig. Doch unsere steten Tropfen (und die der Mitstreiter) werden den Stein in absehbarer Zeit ausgehöhlt haben. Darauf wette ich! Deswegen mein Aufruf an alle, deren Leber sich im Moment noch weigert, ‚genügend‘ zu vernarben, freut Euch genau darüber und kämpft an unserer Seite. Bombardiert die Gesundheitsbehörden (BAG) und die Pharma mit Briefen, die Krankenkassen mit Kostengutsprache-Anfragen, gelangt mit offenen Briefen, Leserbriefen und Pressemitteilungen an die Medien und an uns wohlgesonnene Politiker. Das einzige, was in dieser Situation helfen kann, ist Druck von der Basis.

     

    Migrations-Community nicht vergessen

    Was uns ebenso wichtig ist, ist unsere Migranten-Community. Mit deren Gesundheit und dem Zugang zu Dienstleistungen liegt vieles im Argen. In den letzten Jahren hat man dieses Problem von Amtes wegen ziemlich verschlafen, erst in neuster Zeit scheint sich hier einiges zu tun. Da HIV im Gebiet südlich der Sahara nicht als Krankheit von Randgruppen abgetan werden kann, sondern vielmehr ein überwiegend weibliches Gesicht trägt, müssen sowohl die Präventions- als auch die Behandlungsstrategien dieser Tatsache Rechnung tragen. Andere wichtige Faktoren sind die kulturelle und soziale Entwurzelung und damit einhergehend eine viel höhere Mobilität vor allem innerhalb Europas und leider nicht zuletzt die erhöhten Stigmatisierungsrisiken. Wir sind mit unseren Partnern im europäischen Raum daran, hier Antworten zu suchen und so die Lebensqualität und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen für die MigrantInnen zu verbessern.

     

    Was bringt die Zukunft? Die PrEP muss kommen

    Der dritte, uns ebenso wichtige Punkt ist der Kampf für die PrEP. In mehreren Studien hat sich inzwischen gezeigt, dass diese die hohen Erwartungen, die in diese Präventionstechnik gesteckt werden, voll erfüllt. Die PrEP ist aber auf keinen Fall eine Strategie z.B. für alle schwulen Männer. Es gibt eine relativ klar und restriktiv eingegrenzte Gruppe von Menschen, die aus diversen Gründen Zugang zu einer PrEP erhalten sollen. Genau diese Individuen, die sozusagen auf den Schaltstellen der Infektionswege sitzen, können so ein sehr effizientes Risikomanagement betreiben, in ihrem eigenen - aber auch im Interesse der Gesundheit der Mitmenschen. Dem steht unser Krankenkassengesetz entgegen, leider werden Präventionsmassnahmen in keinem Fall durch die Grundversicherung rückvergütet. Aber angesichts der Tatsache, dass generisches Truvada auch nur ein paar Rappen kostet, sollte eine pragmatische Lösung zu finden sein - sofern ‚man‘ ernsthaft an einer solchen interessiert ist.

    In diesem Sinne sollten wir uns alle für ein Gesundheitssystem einsetzen, das diesen Namen verdient. Eines, das die Gesundheit erhalten will und nicht erst eingreifen darf, wenn die Krankheit manifest ist. Oder sogar erst, wenn eine Krankheit schwerwiegend wird…

     

    VValo Bärtschi / November 2016

  • Diese Woche in Barcelona: Die 15. Europäische Aids-Konferenz

    Alle zwei Jahre im Herbst ist es soweit: Die europäische Aids-Konferenz geht mit 3-4’000 Delegierten über die Bühne. Nach Belgrad 2011 und Brüssel 2013 ist heuer Barcelona an der Reihe. 

    Die Austragungsorte müssen nicht mit dem Buchstaben B beginnen – jede grössere europäische Stadt mit einem guten Konferenzzentrum kann sich bewerben. Trotzdem ist der Austragungsort mit Spanien heuer besonders passend. Spanien erlebte in der Wirtschaftskrise einige Probleme im Gesundheitssystem (dieses fällt unter die Kompetenz der Regionen), und Spanien hat sehr viele mit Hepatitis-C koinfizierte Patienten.

    Damit ist ein wichtiger Schwerpunkt der Konferenz bereits genannt. Die neuen HCV-Medikamente sind auch in Spanien sehr wichtig, doch mit dem Therapiezugang will es nicht so richtig klappen – die Gründe sind vielschichtig. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Prävention und hier vor allem die Prä-Expositionsprophylaxe PrEP. Seit dem vorzeitigen Abbruch der PROUD- und IPERGAY-Studien ist das Thema in aller Munde. Ko-Infektion mit Tuberkulose und Behandlungsstandards in Europa sind weitere Themen.

    Aidsmap berichtet laienverständlich und in mehreren Sprachen direkt aus der Konferenz (englisch, französisch, italienisch, portugiesisch, spanisch und russisch). Das Bulletin kann man hier abonnieren: http://www.aidsmap.com/eacs2015/Conference-bulletins/page/2997088/

    Der Newsletter POSITIV ist vor Ort mit dabei – wir werden in der nächsten Ausgabe berichten.

    David Haerry

  • Endlich: Swissmedic darf mit der European Medicines Agency (EMA) vertrauliche Informationen austauschen

    Fast 23 Jahre nach dem EWR-Nein kann die Swissmedic endlich vertraulichen Informationsaustausch mit den europäischen Behörden pflegen. Die am 10. Juli 2015 unterzeichnete Vereinbarung verbessert die Arzneimittelüberwachung in der Schweiz.  

    Ganz im Stillen erschien Ende Juli eine lapidare Meldung auf der Swissmedic Webseite – kaum eine Zeitung hat die Nachricht zur Kenntnis genommen. Möglicherweise wollte die eine oder andere Seite die Neuigkeiten so diskret wie möglich verbreiten. Für die Schweizer Patienten ist die seit langem angestrebte Vereinbarung aber ein echter Durchbruch.

    Ein wenig Hintergrund: Alle europäischen Länder, inklusive der EFTA-Mitglieder Liechtenstein, Norwegen und Island, arbeiten seit 1995 mit der europäischen Medikamentenagentur unter einem Dach. Dies wäre Bestandteil der vom Schweizer Stimmbürger abgelehnten EWR-Vorlage gewesen. Wie wichtig dieser Informationsaustausch ist, zeigte sich besonders deutlich während der Schweinegrippe-Pandemie von 2009/2010: Alle Europäer waren am gleichen Tisch, nur die Schweiz musste anstehen (das heisst: sie durfte damals ausnahmsweise mit am Tisch sitzen).

    Seit dieser Erfahrung haben sich die Bemühungen verstärkt, eine vertrauliche Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden doch möglich zu machen. Damit können die beiden Behörden nicht-öffentliche Informationen zur Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit von Heilmitteln austauschen, die in der Schweiz oder der EU entweder zugelassen oder im Zulassungsverfahren sind. Die Vereinbarung gilt für fünf Jahre und kann verlängert werden. Beide Behörden werden profitieren, vor allem aber die Schweizer Patienten – die europäischen Zulassungsverfahren beginnen nämlich in der Regel etwas früher, und der Informationsaustausch könnte die Schweizer Zulassungsverfahren unterstützen.

    David Haerry / Oktober 2015

  • Hepatitis C: Die Petition „Behandlung für alle“ ist übergeben

    Am 28. Juli, dem Welt-Hepatitis-Tag, haben sich Betroffene auf dem Bundesplatz in Bern versammelt und eine Petition eingereicht, die an Bundesrat Alain Berset gerichtet ist und die die Behandlung für alle Hepatitis-C-Betroffenen fordert. Eine Mitarbeiterin des EDI hat sie entgegengenommen.

    Knapp 1’300 Unterschriften haben die Aktivisten in den letzten Monaten gesammelt. Die Petitionäre wollen erreichen, dass die Einschränkung der Verschreibung der neuen Medikamente nur für Personen, deren Leber schon schwer geschädigt ist, aufgehoben wird. Die Schweizer Regelung der Limitierung der Medikamente erachten sie als unethisch und kritisieren, dass Tausenden von Patienten so die heilenden Medikamente vorenthalten werden. „Als ich vor ein paar Wochen nach vielen Jahren Leidenszeit endlich die Medikamente bekam war es, als ob ich ein neues Leben erhalten hätte. Bereits nach wenigen Tagen der Behandlung waren meine jahrelangen Beschwerden vollständig verschwunden“, schildert Mitinitiant Daniel Horowitz seine Erfahrung. Dies wollen die Aktivisten auch anderen Patienten ermöglichen und sie fordern Bundesrat Berset auf, das jahrelange Leiden von Betroffenen durch die Aufhebung der Limitatio zu beenden.


    www.stophepatitisc.blogspot.ch

    HepC Petition

  • Kombinationspillen – praktisch und manchmal ein Problem.

    HIV-Patienten sind sie geläufig: Kombinationspräparate mit zwei oder drei Medikamenten in einer Tablette. Das ist praktisch, vor allem bei lebenslanger Dauertherapie. Für manche Patienten mit Hepatitis C haben die Kombinationspräparate aber eine Kehrseite. Der Positivrat Schweiz hat deswegen bei Swissmedic nachgefragt.

    Im HIV-Bereich haben die Kombinationsprodukte eine interessante und bereits längere Geschichte.

    • Combivir: Eine Kombination von AZT und 3TC (heute kaum mehr verwendet), europäische Zulassung März 1998
    • Trizivir: AZT & 3TC & Abacavir (heute kaum mehr verwendet), europäische Zulassung Dezember 2000
    • Kivexa: 3TC & Abacavir, europäische Zulassung Dezember 2004
    • Truvada: Tenofovir & Emtricitabine, europäische Zulassung Februar 2005
    • Kaletra: Lopinavir & Ritonavir, europäische Zulassung März 2001
    • Atripla: Efavirenz & Emtricitabine & Tenofovir, europäische Zulassung Dezember 2007. Atripla war die erste komplette HIV-Therapie in einer Pille einmal pro Tag.
    • Eviplera: Rilpivirine & Tenofovir & Emtricitabine, europäische Zulassung November 2011
    • Stribild: Elvitegravir & Cobicistat & Emtricitabine & Tenofovir, europäische Zulassung Mai 2013
    • Triumeq: Dolutegravir & 3TC & Abacavir, europäische Zulassung September 2014

    Aus unterschiedlichen Gründen sind die HIV-Substanzen aber fast alle auch als Einzelprodukte zugelassen und erhältlich. Dadurch ist es einfach, in Einzelfällen die Dosierung einer bestimmten Substanz nach unten oder nach oben anzupassen. Nötig ist dies zum Beispiel bei Interaktionen mit anderen Substanzen, oder um Unverträglichkeiten zu vermeiden.

    Die neuen Hepatitis C Therapien kommen nun ebenfalls als Kombinationsprodukte auf den Markt.

    • Harvoni: Sofosbuvir & Ledipasvir, europäische Zulassung November 2014
    • Viekirax: Paritaprevir & Ritonavir & Ombitasvir, europäische Zulassung Januar 2015
    • Zepatier: Grazoprevir & Elbasvir, schweizerische Zulassung 1. April 2016 (europäische Zulassung pendent)velpatasvir
    • Sofosbuvir & Velpatasvir: Zulassungen noch pendent

    Das Problem: Einzelsubstanzen gibt es kaum – Ledipasvir und Velpatasvir gibt es nur in Kombination mit Sofosbuvir; dasselbe gilt für die Bestandteile von Viekirax und Zepatier

    Warum ist das ein Problem?

    • Patienten mit schweren Leberschäden und Niereninsuffizienz können weder mit Harvoni noch mit Viekirax behandelt werden. Die Chance für diese Patienten wäre Zepatier, doch müsste man Grazoprevir um die Hälfte niedriger dosieren.
    • Wenn man die einzelnen Substanzen freier kombinieren könnte, liesse sich die heute übliche Therapiedauer von 12 Wochen auf bis zu 3 Wochen verkürzen. Das wäre erstens unglaublich praktisch und zweitens ein echter Renner puncto Kosten.

    Es ist uns klar, dass die Zulassung einzelner Substanzen aufwendiger ist. Sie ist aber im Interesse der Patienten, öffentlichen Gesundheit und Krankenkassen – und damit letztendlich auch der Industrie. Dieselbe Industrie, welche aus Marketinggründen bloss Kombinationsprodukte bereitstellt, propagiert anderswo „personalisierte Medizin“ – genau auf die Patienten abgestimmte Dosierungen und Kombinationen, welche wirksamer und verträglicher sind. Das Eine lässt sich ohne das Andere nicht haben.

    Die Swissmedic schreibt uns nun, dass man leider seitens der Behörde die Industrie nicht zwingen könne, die Einzelsubstanzen ebenfalls zur Zulassung einzureichen. Das ist in Europa und den USA nicht anders. Und doch: das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren wollten viele Behörden Kombinationsprodukten keinen Segen erteilen.

    Eine Umfrage bei anderen Patientengruppen zeigt, dass das Problem ein grösseres ist und auch andere Indikationen betrifft. Sehr unglücklich ist man insbesondere bei Medikamenten für ältere Patienten, aber auch in Spitälern. Wir bleiben deshalb am Ball und arbeiten eng mit unseren europäischen Kollegen zusammen. Vielleicht lässt sich hier auf längere Sicht etwas erreichen.

    David Haerry / April 2016

  • Love Life – Quo Vadis?

    Die letztjährige LOVE LIFE-Kampagne hat einiges an Kritik provoziert und viel Aufmerksamkeit erhalten. Dieses Jahr ist es auffällig still. Doch wie steht es um die aktuelle Kampagne?

    Ein schweissbedeckter Mann oder eine fiebrig schwitzende Frau in weissen Bettlaken sind zurzeit auf Plakaten zu sehen. Vier Beine schauen unter der Bettdecke hervor. Dazu der Claim “Fieber nach Sex ohne Gummi? Sprich mit deinem Arzt über HIV.”

    So sieht die neue LOVE LIFE-Kampagne aus. Zielpublikum: Allgemeinbevölkerung, also Herr und Frau Schweizer. Während die letztjährige Kampagne durch nackte Haut zu provozieren suchte, erfolgreich der alten Werber-Weisheit „Sex sells“ folgend – bleibt es dieses Jahr auffällig still. Wir wollen trotzdem Stellung nehmen.

    An den aktuellen Plakaten fällt uns vor allem eines auf: Wir sehen offensichtlich kranke Menschen, die das Bett hüten müssen. Und wir fragen uns: Ist das wirklich die korrekte Botschaft für Herr und Frau Schweizer? Nicht nur im Hinblick auf eine aktuelle Studie, die befürchten lässt, dass sich Personen mit anderen als Grippesymptomen oder keinen Symptomen in falscher Sicherheit wiegen (wir berichteten an dieser Stelle schon darüber). Sondern auch das Bild, das von Betroffenen vermittelt wird: das von kranken Menschen.

    Jahrelang hat man versucht, die Öffentlichkeit aufzuklären, dass man den Menschen ihre HIV-Infektion nicht ansieht. In den letzten Jahren gingen die Bemühungen, insbesondere der Aids-Hilfe Schweiz, dahin, die breite Bevölkerung und die Arbeitgeber aufzuklären, dass Menschen mit HIV heute voll leistungsfähig sind und nicht öfter krank im Bett liegen als Menschen ohne HIV. Daten dazu gibt es: Die meisten Menschen mit HIV arbeiten, der Grossteil von ihnen in einem Vollzeitpensum.

    Weiter wird erneut mit dem Claim “Bereue nichts“ gearbeitet. Dies hatten wir schon bei der letztjährigen Kampagne kritisiert (http://tinyurl.com/po3nzp3). Sollen Menschen mit HIV nun ein Leben lang bereuen? Wie angebracht ist es, mit moralischen Begriffen zu operieren? Wo doch viele Menschen mit HIV Stigma und Schuld verinnerlicht haben? Wo doch Moral in der Prävention leicht zur Ausgrenzung führt? Auf unser Schreiben an die Kampagnenleitung wurde belehrend geantwortet: Der Slogan "Ich bereue nichts. Dafür sorge ich" sei „zukunftsgerichtet und schliesst HIV-infizierte Menschen nicht aus.“ Und es sei „nicht korrekt zu behaupten, dass die neue LOVE LIFE-Kampagne mit der Umkehrung der 3. Aussage (der oben erwähnte Slogan, die Red.) HIV-Betroffenen Schuld zuweist.“ Das Gefühl von Betroffenen wird von der Kampagnenleitung also als Behauptung gewertet, die falsch sei. So fühlt man sich wohl kaum ernst genommen.

    Hat die Vorgängerkampagne STOP AIDS bewusst auf Zeigefinger-Botschaften verzichtet, wird heute offenbar damit gearbeitet. Das ist bedauerlich, denn Diskriminierung und Ausgrenzung von Betroffenen verhindert eine effektive Prävention. Wer will sich testen lassen, wenn er bei einem positiven Testresultat von der Gesellschaft geächtet wird?

    Uns scheint: Zusammen mit den griffigen und richtigen Botschaften ist der Kampagnenleitung leider das Fingerspitzengefühl für das Thema abhanden gekommen. Prävention zu betreiben, ohne Menschen auszugrenzen und ohne Moral und moralische Begriffe wie Reue (wo die Frage der Schuld nicht fern ist) zu bemühen, das hatte frühere Kampagnen ausgezeichnet. Es wäre zu wünschen, dass die Sensibilität für das heikle Thema künftig wieder zu spüren wäre. Und dass die Stimmen von Betroffenenseite ernst genommen werden.

    Bettina Maeschli / November 2015

  • Manifest

    Der gemeinnützig orientierte Verein Positivrat Schweiz öffnet sich für Menschen mit chronischer Hepatitis C.

    Manifest Chronische Hepatitis

    Manifest_Chronische_Hepatitis_C.pdf

    Medienmitteilung_Manifest.pdf

  • Manifest Chronische Hepatitis C

    Wir bieten:

    Positivrat

    • Der gemeinnützig orientierte Verein Positivrat Schweiz öffnet sich für Menschen mit chronischer Hepatitis C.

    Wir verlangen:

    Für die Patientinnen und Patienten

    • Uneingeschränkten Zugang zu zugelassenen direkt-aktiven Substanzen (Direct Acting Agents DAAs) zur Behandlung der chronischen Hepatitis C.
    • Uneingeschränkten Zugang zu den am besten wirksamen Substanzen gemäss Genotyp des Hepatitis C-Virus (HCV), klinischen Behandlungsrichtlinien und Patientenpräferenzen.
    • Spezielle Berücksichtigung der erhöhten Gesundheitsgefährdung HIV-koinfizierter Patientinnen und Patienten.
    • Uneingeschränkten Zugang zu Expanded Access und Named Patient Programmen bis die Kostenübernahme durch Krankenkassen geregelt ist.

    Von der Industrie

    • Eine verantwortungsvolle Preispolitik, die für das Schweizerische Gesundheitssystem mittel- bis langfristig tragbar ist.
    • Eine Preispolitik, die es den Klinikern erlaubt, die für jeden Patienten und jede Patientin am besten geeigneten Substanzen ohne Einschränkung einzusetzen.
    • Expanded access und Named Patient Programme, welche die Lücke zwischen Zulassung und Kassenzulässigkeit zuverlässig überbrücken.

    Von der Ärzteschaft

    • Ein zielorientiertes Zusammenwirken aller beteiligten klinischen Disziplinen (Gastroenterologie und Hepatologie, Infektiologie und Suchtmedizin) unter Einbezug der Pflege und anderen systemrelevanten Leistungserbringern.
    • Das Erarbeiten und ständige Aktualisieren von Behandlungsrichtlinien für die Schweiz, die sich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren.
    • Sicherstellen einer die Disziplinen übergreifende Leadership im Bereich Strategieentwicklung und Hepatitis-Kohorte (siehe auch Behörden) unter Einbezug von Patientenvertretern.

    Von den Behörden

    • Schnellstmögliche Anpassung an die Empfehlungen im Beurteilungsprozess neuer Medikamente der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) vom 25. März 2014 unter Einbezug aller relevanten Akteure, insbesondere auch der Ärzteschaft und von Patientinnen und Patienten.
    • Unverzügliche Entwicklung und Umsetzung einer Public-Health-orientierten Strategie zu Diagnose, Betreuung, Therapie, Kontrolle und Prävention von HCV. Diese Strategie soll die vielfältigen Bedürfnisse der heterogenen Betroffenengruppen angemessen berücksichtigen (intravenöse DrogengebraucherInnen IVDU; ehemalige IVDU; MigrantInnen; nach Transfusionen, medizinischen Eingriffen oder ungeklärten Übertragungswegen angesteckte Patientinnen und Patienten; HIV-positive Männer, die Sex mit Männern haben) mit Einbezug von Patientenvertretern.
    • Eine langfristig angelegte Hepatitis-Kohorte nach dem Vorbild der erfolgreichen Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS). Formen der Zusammenarbeit der Kohorten sollen geprüft werden, um Synergien zu nutzen. Die Finanzierung beider Kohorten muss langfristig gesichert sein.
    • Anpassungen im schweizerischen Heilmittelgesetz zur vereinfachten und rascheren Durchführung klinischer Studien in der Schweiz.

    Für die Öffentlichkeit

    • Eine umfassende Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit, insbesondere der hauptsächlich betroffenen Jahrgänge 1955 bis 1975, ohne unnötig Ängste zu schüren.
    • Die Information der Öffentlichkeit hat auch zum Ziel, die Diskriminierung Betroffener zu bekämpfen.


    Bern/Zürich, Januar 2015

    Manifest_Chronische_Hepatitis_C.pdf
    Medienmitteilung_Manifest.pdf

  • Neue LOVE LIFE-Kampagne: Ein Leben lang bereuen?

     

    «Bereue nichts», so lautet der Titel der soeben gestarteten LOVELIFE-Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit. Wer sich schütze, brauche auch nichts zu bereuen. Für Menschen, die mit HIV leben, eine schwierige Aussage.

    Ein Angelpunkt der Kampagnen der LOVELIFE-, vormals STOP AIDS-Kampagnen, war immer, dass Menschen mit HIV nicht ausgegrenzt werden und nicht moralisch argumentiert wird. In den Anfangsjahren der STOP AIDS-Kampagnen wurde sogar explizit für Solidarität mit HIV-positiven Menschen geworben. Das ist jetzt offenbar vorbei.

    In der aktuellen Kampagne dreht sich alles um ein Manifest. Unter anderem soll man sich zum Slogan bekennen: «Ich bereue nichts. Dafür sorge ich». Kehrt man diese Aussage um, bedeutet das, dass Menschen mit HIV ein Leben lang bereuen sollen.

    Damit werden die bisherigen Prinzipien der HIV-Prävention, die bewusst moralisch aufgeladene Begriffe wie Schuld, Reue etc. vermied, über Bord geworfen.

    Dagegen protestieren wir! Wir erwarten vom Bundesamt für Gesundheit, dass die Kampagne überdacht wird, dass auf Betroffene in unserem Land Rücksicht und deren Stimme ernst genommen wird. Denn es ist schon lange bekannt: Mit der Diskriminierung von Menschen mit HIV erweisen wir der HIV-Prävention einen Bärendienst.

    Positivrat Schweiz

     

  • Nicht-Diskriminierung darf nicht zum Lippenbekenntnis werden

    Die Strategiegruppe «LOVE LIFE-Kampagne» hat die Kritik des POSITIVRATS an der aktuellen Kampagne zurückgewiesen. Der POSITIVRAT fordert, dass Menschen mit HIV einbezogen und ihre Stimme ernst genommen wird.

    Die Strategiegruppe «LOVE LIFE-Kampagne» bekennt sich in ihrem Antwortschreiben zum Gebot der Nichtdiskriminierung von Menschen mit HIV. Das ist zu begrüssen. Es darf aber nicht zum blossen Lippenbekenntnis werden.  

    Der POSITIVRAT hatte kritisiert, dass der Slogan «Bereue Nichts» für Menschen mit HIV diskriminierend wirkt. Mit Verwunderung stellen wir fest, dass die Strategiegruppe diese Kritik von Menschen mit HIV offenbar nicht ernst zu nehmen gewillt ist. Die Behauptung, dass die Kritik nicht korrekt sei, ist zu einfach und zeugt von Desinteresse.  

    Menschen mit HIV erleben vielfältige Diskriminierungen in ihrem Alltag – auch heute noch. Das zeigen auch die rund 90 Meldungen von Diskriminierungen, die jedes Jahr bei der Aids-Hilfe Schweiz eingehen. Der Begriff «Reue» ist eng verknüpft mit Gefühlen der Schuld, Abscheu, Unwert oder Sünde. Und das hat rein gar nichts mehr mit lustvoller Sexualität zu tun.  

    Mit den moralischen Begriffen befeuert die LOVE LIFE-Kampagne negative Gefühle. Diese öffnen die Tür zur Selbststigmatisierung. Und erschweren es Menschen mit HIV, einen guten Umgang mit ihrer Infektion zu finden.  

    Der POSITIVRAT hat sich deshalb früh in die Kampagne eingeschaltet und seine Einwände am Slogan vorgetragen. Offenbar wurde trotz dieser Einwände entschieden, nicht darauf einzugehen. Sieht so sinnvolle Beteiligung aus?  

    Wir erinnern daran, dass seit 1994 alle Organisationen im HIV-Bereich gehalten sind, das GIPA-Prinzip umzusetzen. Wir erwarten daher, dass unsere Einwände ernst genommen werden und dass darauf angemessen reagiert wird. Wir stehen weiterhin zur Verfügung, damit das Nichtdiskriminierungsgebot nicht nur Lippenbekenntnis bleibt, sondern umgesetzt wird. Durch die sinnvolle Beteiligung von Menschen mit HIV.  

    POSITIVRAT SCHWEIZ

     

  • Positivrat fordert Ende der zynischen Preispolitik

    Zürich, 2. Februar 2015

    Gestern wurden neue Medikamente, die Hepatitis C heilen können, in die Spezialitätenliste (SL) aufgenommen. Wie schon bei Sovaldi verhängt das BAG eine Limitatio, die die Medikamente nur bereits schwer erkrankten Patientinnen und Patienten zugänglich macht. Damit müssen unzählige Menschen weiter auf eine Heilung warten. Weiter...

  • Positivrat Schweiz unterstützt!

    Der Positivrat Schweiz unterstützt die Oslo-Declaration.  

    http://www.hivjustice.net

  • Stellungnahme Margrit Kessler

    Frau Kessler hat zum offenen Brief, den der Positivrat zusammen mit neun weiteren Organisationen lanciert hat, Stellung genommen. Wir publizieren den Brief. Sie hält darin fest: Drogenabhängige sollen als Patienten zweiter Klasse behandelt werden. Obwohl es keinen Grund gibt, Drogenabhängigen HCV-Medikamente vorzuenthalten! Diese leidige Diskussion mussten wir schon bei HIV führen. Ist das wirklich die offizielle Haltung der SPO? Es braucht eine offizielle Stellungnahme der Stiftung, unabhängig von der Person Kessler!

    Wir bleiben dabei: Die Diskussion rund um die Medikamentenkosten und die Rationierungsfrage ist wichtig. Aber nicht so, wie Frau Kessler die Diskussion lancieren will: Eine Haltung, die sich auf die Schuldfrage abstützt und ganze Patientengruppen diskriminiert, ist nicht zu Ende gedacht und unhaltbar. Als Patientenschützerin sollte sie solche Äusserungen dringend unterlassen.

    Inakzeptabel an der aktuellen Diskussion ist, dass schlussendlich die Patienten darunter leiden. Die neuen hochwirksamen Medikamente sind eine grosse Chance für Patienten, die bisher äusserst nebenwirkungsreiche Behandlungen mit eingeschränkten Erfolgsaussichten über sich ergehen lassen mussten. Jetzt wäre es an der Zeit koordiniert zu handeln: die Schweiz braucht eine Hepatitis-C-Strategie, damit alle Akteure darauf hinarbeiten können, dass die schätzungsweise 70 bis 90’000 Infizierten in der Schweiz von ihrer Infektion wissen und - falls nötig, denn nicht alle brauchen sofort eine Therapie - behandelt und geheilt werden können.

    Rationierung.pdf

    Offener Brief an Margrit Kessler

  • Stellungnahme Positivrat zu HIV-Testung der Schweizer Armee

    Berichterstattung über obligatorische HIV-Tests bei Rekruten, NZZ und NZZaS vom

    • 11. November «Armee will HIV-Tests einführen»,  
    • 12. November «Äusserst fragwürdig»,   
    • 1. Dezember «Armee macht Obligatorium für HIV-Tests rückgängig», «Freiwilliges Obligatorium» und   
    • 3. Dezember «Unglaubwürdige Wortklauberei»

    Der Positivrat hat die Kommunikation der Armee über die obligatorischen HIV-Tests bei angehenden Sanitätssoldaten mit Befremden verfolgt. Wie wir der Berichterstattung der NZZ und der NZZaS entnehmen, sollen Soldaten, die sich zur Sanität einteilen lassen wollen, obligatorisch einem HIV-Test unterziehen. Weiter sollen Menschen mit HIV, die unter Therapie sind, nach heutiger Praxis in jedem Fall vom Armeedienst ausgeschlossen werden, im Gegensatz zu HIV-positiven Menschen, die keine Medikamente nehmen. Sowohl die Test- als auch die Ausschlusspraxis sind widersinnig, gegenüber Menschen mit HIV diskriminierend, und berücksichtigen den neusten medizinischen Stand nicht.  

    Als HIV-Teststrategie hat sich VCT (Voluntary counselling Testing) in der Schweiz seit langem bewährt. VCT beruht auf freiwilligem Testen, das jeweils von einer Beratung durch geschultes Personal begleitet ist, unabhängig vom Resultat. Die meisten HIV-Teststellen in der Schweiz wenden VCT an. Die Praxis der Armee eines als „freiwillig“ deklarierten, aber eigentlich obligatorischen Testens ist nicht mit VCT vereinbar.

    Weiter ist nicht einzusehen, warum Menschen, die sich nicht auf HIV testen lassen wollen, oder auch Menschen, die HIV-positiv sind, von irgendwelchen Funktionen in der Armee ausgeschlossen werden sollen. Auch die Sanität sollte hier keine Ausnahme darstellen. Es gibt in der Schweiz keine Berufsverbote für HIV-positive Menschen. Es besteht im zivilen Gesundheitsbereich zu Recht keine Testpflicht auf HIV. Wenn die üblichen Hygiene- und Vorsichtsmassnahmen eingehalten werden, kann eine Übertragung des Virus ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss wegen HIV ist wohl auch rechtlich nicht haltbar und ist als diskriminierend zu werten.  

    Zudem ist die gegenwärtige Tauglichkeitsprüfung widersinnig. Die Armee ist offensichtlich bezüglich der HIV-Therapie nicht auf dem neusten Stand. Sie sieht vor, Menschen mit HIV unter Therapie in jedem Fall auszuschliessen. Seit 2008, der Veröffentlichung des EKAF-Statements (der damaligen eidgenössischen Kommission für Aidsfragen, heute eidgenössische Kommission für sexuelle Gesundheit EKSG), ist klar, dass Menschen unter funktionierender Therapie nicht mehr infektiös sind, das Virus also nicht mehr weitergeben können. Zudem sind aktuelle Therapien um ein vielfaches verträglicher als noch vor ein paar Jahren. Die Leistungsfähigkeit von Menschen mit HIV, gerade auch unter Therapie, ist sehr hoch. Dies zeigt auch die Tatsache, dass 70 Prozent der Menschen mit HIV in der Schweiz arbeiten, zwei Drittel von ihnen zu hundert Prozent.  

    Wir plädieren für eine glaubwürdige Kommunikation unter Einbezug aktueller medizinischer Erkenntnisse. Gerade die Armee hätte eine Vorbildfunktion auch für zivile Arbeitgeber und sollte sich für die Nichtdiskriminierung von Armeeangehörigen einsetzen.