Diskriminierung

  • Neue LOVE LIFE-Kampagne: Ein Leben lang bereuen?

     

    «Bereue nichts», so lautet der Titel der soeben gestarteten LOVELIFE-Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit. Wer sich schütze, brauche auch nichts zu bereuen. Für Menschen, die mit HIV leben, eine schwierige Aussage.

    Ein Angelpunkt der Kampagnen der LOVELIFE-, vormals STOP AIDS-Kampagnen, war immer, dass Menschen mit HIV nicht ausgegrenzt werden und nicht moralisch argumentiert wird. In den Anfangsjahren der STOP AIDS-Kampagnen wurde sogar explizit für Solidarität mit HIV-positiven Menschen geworben. Das ist jetzt offenbar vorbei.

    In der aktuellen Kampagne dreht sich alles um ein Manifest. Unter anderem soll man sich zum Slogan bekennen: «Ich bereue nichts. Dafür sorge ich». Kehrt man diese Aussage um, bedeutet das, dass Menschen mit HIV ein Leben lang bereuen sollen.

    Damit werden die bisherigen Prinzipien der HIV-Prävention, die bewusst moralisch aufgeladene Begriffe wie Schuld, Reue etc. vermied, über Bord geworfen.

    Dagegen protestieren wir! Wir erwarten vom Bundesamt für Gesundheit, dass die Kampagne überdacht wird, dass auf Betroffene in unserem Land Rücksicht und deren Stimme ernst genommen wird. Denn es ist schon lange bekannt: Mit der Diskriminierung von Menschen mit HIV erweisen wir der HIV-Prävention einen Bärendienst.

    Positivrat Schweiz

     

  • Nicht-Diskriminierung darf nicht zum Lippenbekenntnis werden

    Die Strategiegruppe «LOVE LIFE-Kampagne» hat die Kritik des POSITIVRATS an der aktuellen Kampagne zurückgewiesen. Der POSITIVRAT fordert, dass Menschen mit HIV einbezogen und ihre Stimme ernst genommen wird.

    Die Strategiegruppe «LOVE LIFE-Kampagne» bekennt sich in ihrem Antwortschreiben zum Gebot der Nichtdiskriminierung von Menschen mit HIV. Das ist zu begrüssen. Es darf aber nicht zum blossen Lippenbekenntnis werden.  

    Der POSITIVRAT hatte kritisiert, dass der Slogan «Bereue Nichts» für Menschen mit HIV diskriminierend wirkt. Mit Verwunderung stellen wir fest, dass die Strategiegruppe diese Kritik von Menschen mit HIV offenbar nicht ernst zu nehmen gewillt ist. Die Behauptung, dass die Kritik nicht korrekt sei, ist zu einfach und zeugt von Desinteresse.  

    Menschen mit HIV erleben vielfältige Diskriminierungen in ihrem Alltag – auch heute noch. Das zeigen auch die rund 90 Meldungen von Diskriminierungen, die jedes Jahr bei der Aids-Hilfe Schweiz eingehen. Der Begriff «Reue» ist eng verknüpft mit Gefühlen der Schuld, Abscheu, Unwert oder Sünde. Und das hat rein gar nichts mehr mit lustvoller Sexualität zu tun.  

    Mit den moralischen Begriffen befeuert die LOVE LIFE-Kampagne negative Gefühle. Diese öffnen die Tür zur Selbststigmatisierung. Und erschweren es Menschen mit HIV, einen guten Umgang mit ihrer Infektion zu finden.  

    Der POSITIVRAT hat sich deshalb früh in die Kampagne eingeschaltet und seine Einwände am Slogan vorgetragen. Offenbar wurde trotz dieser Einwände entschieden, nicht darauf einzugehen. Sieht so sinnvolle Beteiligung aus?  

    Wir erinnern daran, dass seit 1994 alle Organisationen im HIV-Bereich gehalten sind, das GIPA-Prinzip umzusetzen. Wir erwarten daher, dass unsere Einwände ernst genommen werden und dass darauf angemessen reagiert wird. Wir stehen weiterhin zur Verfügung, damit das Nichtdiskriminierungsgebot nicht nur Lippenbekenntnis bleibt, sondern umgesetzt wird. Durch die sinnvolle Beteiligung von Menschen mit HIV.  

    POSITIVRAT SCHWEIZ

     

  • Stellungnahme Positivrat zu HIV-Testung der Schweizer Armee

    Berichterstattung über obligatorische HIV-Tests bei Rekruten, NZZ und NZZaS vom

    • 11. November «Armee will HIV-Tests einführen»,  
    • 12. November «Äusserst fragwürdig»,   
    • 1. Dezember «Armee macht Obligatorium für HIV-Tests rückgängig», «Freiwilliges Obligatorium» und   
    • 3. Dezember «Unglaubwürdige Wortklauberei»

    Der Positivrat hat die Kommunikation der Armee über die obligatorischen HIV-Tests bei angehenden Sanitätssoldaten mit Befremden verfolgt. Wie wir der Berichterstattung der NZZ und der NZZaS entnehmen, sollen Soldaten, die sich zur Sanität einteilen lassen wollen, obligatorisch einem HIV-Test unterziehen. Weiter sollen Menschen mit HIV, die unter Therapie sind, nach heutiger Praxis in jedem Fall vom Armeedienst ausgeschlossen werden, im Gegensatz zu HIV-positiven Menschen, die keine Medikamente nehmen. Sowohl die Test- als auch die Ausschlusspraxis sind widersinnig, gegenüber Menschen mit HIV diskriminierend, und berücksichtigen den neusten medizinischen Stand nicht.  

    Als HIV-Teststrategie hat sich VCT (Voluntary counselling Testing) in der Schweiz seit langem bewährt. VCT beruht auf freiwilligem Testen, das jeweils von einer Beratung durch geschultes Personal begleitet ist, unabhängig vom Resultat. Die meisten HIV-Teststellen in der Schweiz wenden VCT an. Die Praxis der Armee eines als „freiwillig“ deklarierten, aber eigentlich obligatorischen Testens ist nicht mit VCT vereinbar.

    Weiter ist nicht einzusehen, warum Menschen, die sich nicht auf HIV testen lassen wollen, oder auch Menschen, die HIV-positiv sind, von irgendwelchen Funktionen in der Armee ausgeschlossen werden sollen. Auch die Sanität sollte hier keine Ausnahme darstellen. Es gibt in der Schweiz keine Berufsverbote für HIV-positive Menschen. Es besteht im zivilen Gesundheitsbereich zu Recht keine Testpflicht auf HIV. Wenn die üblichen Hygiene- und Vorsichtsmassnahmen eingehalten werden, kann eine Übertragung des Virus ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss wegen HIV ist wohl auch rechtlich nicht haltbar und ist als diskriminierend zu werten.  

    Zudem ist die gegenwärtige Tauglichkeitsprüfung widersinnig. Die Armee ist offensichtlich bezüglich der HIV-Therapie nicht auf dem neusten Stand. Sie sieht vor, Menschen mit HIV unter Therapie in jedem Fall auszuschliessen. Seit 2008, der Veröffentlichung des EKAF-Statements (der damaligen eidgenössischen Kommission für Aidsfragen, heute eidgenössische Kommission für sexuelle Gesundheit EKSG), ist klar, dass Menschen unter funktionierender Therapie nicht mehr infektiös sind, das Virus also nicht mehr weitergeben können. Zudem sind aktuelle Therapien um ein vielfaches verträglicher als noch vor ein paar Jahren. Die Leistungsfähigkeit von Menschen mit HIV, gerade auch unter Therapie, ist sehr hoch. Dies zeigt auch die Tatsache, dass 70 Prozent der Menschen mit HIV in der Schweiz arbeiten, zwei Drittel von ihnen zu hundert Prozent.  

    Wir plädieren für eine glaubwürdige Kommunikation unter Einbezug aktueller medizinischer Erkenntnisse. Gerade die Armee hätte eine Vorbildfunktion auch für zivile Arbeitgeber und sollte sich für die Nichtdiskriminierung von Armeeangehörigen einsetzen.